Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass die Angabe der Anrede („Herr“ oder „Frau“) beim Kauf von Tickets nicht erforderlich ist. Konkret wurde die Praxis der französischen Bahn SNCF beanstandet, die die Angabe der Anrede verpflichtend abgefragt hat. Laut EuGH verstößt dies gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), da diese Information für den Ticketkauf nicht notwendig ist.
Dieses Urteil hat weitreichende Auswirkungen, da es auf andere Online-Shops und Plattformen übertragbar sein dürfte.
In den meisten Fällen ist die Abfrage der Anrede nicht erforderlich, um einen Vertrag erfolgreich abzuschließen oder zu erfüllen.
Wie wurde entschieden?
In der alltäglichen Kommunikation kommt es für den EuGH nicht auf die Anrede an:
„… erscheint eine Personalisierung der geschäftlichen Kommunikation, die auf einer anhand der Anrede des Kunden angenommenen Geschlechtsidentität beruht, nicht objektiv unerlässlich, um die ordnungsgemäße Erfüllung eines Schienentransportvertrags zu ermöglichen. Das Eisenbahnunternehmen könnte sich nämlich für eine Kommunikation entscheiden, die auf allgemeinen und inklusiven Höflichkeitsformeln beruht, die in keinem Zusammenhang mit der angenommenen Geschlechtsidentität der Kunden stehen, was eine praktikable und weniger einschneidende Lösung wäre.“
Quelle: Pressemitteilung des EuGH
Das berechtigte Interesse als Lösung?
Natürlich besteht grundsätzlich die Möglichkeit die Anrede auch im Rahmen des berechtigten Interesses zu erheben und zu verarbeiten. Auch hierzu hat der EuGH nochmals die wichtigsten Punkte in der Pressemitteilung festgehalten:
Demnach ist die Verarbeitung NICHT als erforderlich zu betrachten, wenn:
- „diesen Kunden bei der Erhebung dieser Daten nicht das verfolgte berechtigte Interesse mitgeteilt wurde, oder“
- „die Verarbeitung nicht innerhalb der Grenzen dessen erfolgt, was zur Verwirklichung dieses berechtigten Interesses unbedingt notwendig ist, oder“
- „in Anbetracht aller relevanten Umstände die Grundrechte und Grundfreiheiten dieser Kunden gegenüber diesem berechtigten Interesse überwiegen können, insbesondere wegen der Gefahr einer Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität.“
Bei der eigenen Auslegung und Ermittlung der Notwendigkeit sollte daher berücksichtigt werden, ob es sich um relativ anonyme Kaufvorgänge handelt, wie es in einem Online-Shop regelmäßig der Fall sein dürfte, oder ob es im Kern um eine langfristige persönliche Kundenbindung geht, die auf persönlicher direkter Kommunikation beruht.
In der persönlichen und dauerhaften Kommunikation dürfte ein freundliches „guten Morgen Herr / Frau Müller“ immer noch besser geeignet sein, als ein „guten Morgen lieber Kunde, liebe Kundin“, weshalb eine entsprechende Verarbeitung der Daten durchaus als erforderlich betrachtet werden könnte.
Handlungsempfehlung
Handlungsempfehlung für Betreiber von Shops und Plattformen:
- Prüfen Sie Ihre Systeme: Überprüfen Sie, ob die Abfrage der Anrede in Ihrem Shop oder Ihrer Plattform notwendig ist und ob dies unter Berücksichtigung der Argumentation des EuGH notwendig ist.
- Optionen anpassen: Wenn die Anrede weiterhin abgefragt wird, sollte dies freiwillig sein. Ergänzen Sie gegebenenfalls die Option „keine Angabe“ oder ähnliche neutrale Alternativen. Achten Sie in dem Fall darauf, dass eine neutrale Auswahl in den Formulierungen der Folgeprozesse berücksichtigt wird.
- Datenschutzkonformität sicherstellen: Erfassen Sie nur die Daten, die für die Vertragserfüllung wirklich notwendig sind, und vermeiden Sie unnötige Abfragen.
Sollten Sie zu dem Ergebnis kommen, dass die Verarbeitung der Anrede zur Wahrung des berechtigten Interesses notwendig ist, achten Sie darauf, dass die Verarbeitung und das berechtigte Interesse in Ihren Datenschutzinformationen für die Betroffenen erwähnt wird.
Durch diese Maßnahmen stellen Sie sicher, dass Ihre Plattform den Anforderungen der DSGVO entspricht und die Privatsphäre Ihrer Kunden respektiert wird.